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Sonntag, Juni 19, 2005Religion Gott im Gehirn Titelthema der Juli-Ausgabe der bild der wissenschaft ist die Frage nach den neurologischen Grundlagen von Spiritualität und Religiösität. Durch die (allerdings umstrittenen) Forschungsergebnisse des kanadischen Neurologen Michael Persinger rückte die "Neurotheologie" ins öffentliche Bewußtsein. Persinger hat - so scheint es - Testpersonen zu einer religiös-mystischen Erfahrung verholfen: durch Gehirn-Stimulationen mit magnetischen Feldern. Das funktioniert nach seinen Ergebnissen sogar bei Atheisten. Einige Wissenschaftler meinen sogar, dass die Neigung zum religiösen Empfinden beim Menschen zumindest teilweise in den Genen verankert ist. In mehreren Artikeln zeigt bild der wissenschaft die Hintergründe zu den oft reißerischen Schlagzeilen z. B. über das "Gottmodul" im Gehirn oder das "Gottes-Gen". Dabei erfährt man u. A. dass Persingers Ergebnisse von schwedischen Gehirnforschern, die sein Verfahren in einer Doppelblindstudie anwendeten, nicht bestätigt werden konnten, und dass Dean Hammer, dessen Buch mit dem irreführenden Titel "The God Gene" derzeit für Aufregung sorgt, eben jener Genetiker ist, der vor Jahren ein "Schwulen-Gen" entdeckt haben zu glaubte (diese Entdeckung konnte allerdings nicht von anderen Wissenschaftlern bestätigt werden). Das bedeutet keineswegs, dass die "Neurotheologie" haltloser Unsinn ist. Immerhin zeigte es sich, dass starke Religiösität oft mit überaktiven Schläfenlappen des Großhirn einhergeht (weshalb ein bestimmter Typ Epileptiker zu "religiösen Erweckungsrelebnissen" neigt). PET-Untersuchungen des Gehirns meditierender Menschen (unterschiedlichen Glaubens) zeigten, dass bei mystischen Zuständen Bereiche des Scheitellappens, die der Abgrenzung des Körpers von seiner Umwelt und der Orientierung in Zeit und Raum dienen, inaktiv sind. Zwillingsstudien weisen darauf hin, dass die Spritualität eine genetische Anlage hat - im Gegensatz zur Religiösität, die von Erziehung und anderen Lebensumständen geprägt wird. (Ein kleines Lob am Rande dafür, dass der Artikel "Das Gottes-Gen" sorgfältig zwischen "Spiritualität" und "Religiösität" unterscheidet.) Interessant, aber wahrscheinlich nicht beabsichtigt, ist, wieviel einige der zitierten Wissenschaftler über "heimlichen Voraussetzungen" ihres Weltbildes incl. massiver Vorurteile verraten. Ein Beispiel:
Die Behauptung, "Gott ist ein imaginäres Alphamännchen" träfe, wenn überhaupt, nur auf monotheistische und patriarchalisch bestimmte Religionen zu. Es gibt bekanntlich auch andere. (Wer wäre z. B. das "Alphamännchen" unter den Asen? Odin? Thor? Freyr? Tyr? Und letzten Endes laufen alle "Fäden" bei den Nornen zusammen, die weder "Männchen" noch "Alpha" sind. Und was ist mit Religionen, bei denen eine Göttin oder mehrere Göttinnen im Mittelpunkt stehen? Was mit Pantheistischen und Dynamistischen Religionen, in denen es gar keine als personale Wesenheiten gedachte Götter gibt? Was mit dem Buddhismus? usw.) Außerdem ist keineswegs sicher, dass unsere vormenschlichen Vorfahren - wie die Gorillas - in von "Alphamännchen" angeführten Horden lebten. Bei den Bonobos z. B. (die uns genetisch weitaus näher stehen als die Gorillas), stehen Weibchen im Mittelpunkt der keineswegs straff hierachisch struktrierten Gesellschaft. (Übrigens war Giodarno Bruno, dessen "Pluralität der Welten" weit über Kopernikus hinausging, und der anno 1600 öffentlich verbrannt wurde, ein Mystiker mit stärken Hang zur Magie. Letzten Endes ist er Opfer der Hexenverfolgung, und nicht Märtyrer der "wissenschaftlichen Vernunft".) Die wegen ihres radikal aufklärischen und religionskritische Ansatzes trotz einiger atheitisch-kämpferischer Plattitüden sehr lesenwerte Website: Website der Giodarno Bruno-Stiftung Zum Thema "Neurotheologie" gab es im Mai einen Beitrag im ARD-Magazin "W wie Wissen". Textfassung des Beitrags: Wohnt Gott im Gehirn? von Martin 21:19 | Einzelansicht & Kommentare (0) Kommentare:Post a Comment |
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