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Donnerstag, Juli 15, 2004

 
Szene

Seicht-Esoteriker versucht sich in dummen Nazi-Vergleichen

In der aktuellen "Connection" - bekannt seit Jahren im Eso-Blättchen-Dschungel (Bahnhofslädchen, gleich neben der Astro-Woche) - gibt es ein seitenlanges Gejammer über den bösen Kapitalismus, in deren Verlauf folgender Passus zu lesen ist:
Übernimm Verantwortung! Ja gerne - aber nicht für alles. Es gibt auch äußere Einflüsse. Die Juden, die 1944 in Viehwaggons nach Auschwitz transportiert wurden, haben die das »sich selbst kreiert«? Sie mögen versäumt haben, vorher zu fliehen, sie mögen naiv gewesen sein gegenüber der Perfidie des Naziregimes, aber man kann ihnen nicht die ganze, schwere Schuld des Holocaust auferlegen, ja kaum einen Teil davon.
Nun könnte man ja meine, OK, ein Eso-Schreiberling, das kann passieren, blöd formuliert. Pikanterweise allerdings handelt es sich um den "Abschiedsartikel" eines Herrn Wolf Schneider, der die Connection wohl ein paar Jährchen führte (genau genommen ists ja sogar der Mann, der das Blättchen aus der Taufe gehoben hat - was die Sache umso peinlicher macht). Und nein, der meints auch noch so, wie ers da in seinem Blättchen schrieb und geht allen Ernstes daher und trötet in das "Opfer sind auch Täter"-Horn, freilich unter "spiritueller" Begründung irgendwelcher lustiger Karmagesetze (wieso nur kommen mir Assoziationen zu Trutz Hardo hoch?):
Und doch, wenn man das Argument des »Tat tvam asi« und der Selbstverantwortung für die erlebte Wirklichkeit ernst nimmt, dann muss man sagen, dass SOGAR die Juden in den Viehwaggons nach Auschwitz, nicht 100% Opfer waren, sondern vielleicht nur 99.9%.
schreibt er in seiner "Antwort" auf den seiner Ansicht nach "gutmenschelnden" Leserbrief von Jens. Da will man mal gespannt sein, wo am Ende die Connection stehen wird, immerhin gab es in eben derselben Ausgabe einen Artikel eines Rabenclanautoren. Der, wie der Rabenclan, dürften wenig amüsiert sein.

von Hellblazer 21:52 | Einzelansicht & Kommentare (6)


Kommentare:

Mit Karma-Fatalismus läßt sich in der Tat auf sehr bequeme Weise alles relativieren. Geh auf die Straße, schubs eine alte Oma vor einen vorbeirauschenden Laster und stelle nüchtern fest, daß es ja der Oma ihr Karma war, das ursächlich verantwortlich für das eigene Schubsen ist.
So einfach kann man sich seinen Seelenfrieden backen. Traurig, fürwahr.


Eine der menschenverachtendsten Ideologien die ich kenne heißt "Kausalität". Das noch verbrämt mit "sprituellen" Inhalten und garniert mit "Natur" und "Kreislauf des Lebens" und man kann nicht mehr soviel essen, wie man kotzen möchte.


Kausalität als Ideologie? Nun, wer es soweit treibt richtet wirklich Arges an. Man muß sich nur vergegenwärtigen, daß Finalität das Gegenteil zu Kausalität ist, und beides sind keine Begriffe einer Ideologie, ob politisch oder religiös, sondern philosophische. In (post)modernen Zeiten die einen verbindlichen Halt in Raum und Zeit missen läßt, mag die Konstruktion von Ideologie aus ideologiefernen Begriffen leicht zu backen sein. Bemühe ich mich weiterhin die Gegenreaktion des Irrationalismus auf den Rationalismus mit diesem zusammen verstehen zu wollen und mag mich deshalb weder dem einen noch den anderen hingeben. Auch wenn es schmerzlich ist, zu welchen Engen die Glorie der Logik geführt hat, sie bleibt eines der wichtigsten und wertvollsten Werkzeuge zur Orientierung im Weltall.


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jepp - das ist wohl darum auch eines der ärgerlichsten Phänomene, die es in der Philosophie gibt: philosophische Ansätze zu ideologisieren und daraus Weltbilder zu machen, die behaupten, die Welt tatsächlich wieder zu geben. Und am Ende noch das Bild mit dem "Original" zu verwechseln.


-->Geh auf die Straße, schubs eine alte Oma vor einen vorbeirauschenden Laster und stelle nüchtern fest, daß es ja der Oma ihr Karma war, das ursächlich verantwortlich für das eigene Schubsen ist.<--

Das wäre sogar richtig. Aber es wäre nicht vollständig... Derjenige, der geschubst hat, verschafft sich dadurch dennoch selbst für die Zukunft ein Karma, das ihm z.B. einen vorzeitigen Tod beschert. Ich kann mir sogar Fälle vorstellen, wo sich Leben für Leben die gleichen zwei Bewußtseinströme immer wieder in gegenseitiger karmischer Verstrickung treffen und sich umbringen. Auf einem größeren Level sieht man so ein Prinzip in Familienfehden, die über mehrere Generationen fortgesetzt werden oder tatsächlich sogar im nahen Osten, wo der gegenseitige Hass hin- und hergespiegelt wird und man vielleicht nur jung stirbt, um sogleich voller Hass wiedergeboren zu werden in einer Extremistenfamilien und so den Rahmen zu erhalten, um wieder früh in den Kampf verwickelt zu werden. Dabei wechseln die Bewußtseinsströme sicherlich mehr als einmal die Konfliktseite. Es ist ein ständiges Gefühl, wieder und wieder rächen, vermeintliche Gerechtigkeit herstellen, zu wollen, das den Konflikt in einem ständigen Kreislauf hält. Auf den Aspekt, dass der Konflikt, der sich Mangels Ressourcen längst erschöpft hätte, durch Waffenlieferungen von verschiedenen Seiten am Leben gehalten wird, will ich hier gar nicht weiter eingehen. Jedenfall müßte eine friedliche Lösung für den nahen Osten so etwas wie eine gegenseitige Generalamnestie für jegliche vergangene Schuld beinhalten, ein echtes Verzeihen vom Herzen im Begreifen der eigenen Generationen währenden Verblendung und Vernebelung.

Lieben Gruß!

NachtFalke°


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