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Leserbrief für Hag & Hexe
S. Scholz 1996
Zum Interview mit V.V. in H&H 1
Auf Aufforderung verschiedener Leute sehe mich genötigt, die
mißverständliche Übersetzung des Wortes "Yggdrasil" mit "Ich trage Heil"
über die Herleitung "Ygg=Ich, dra=trage, sa(!)l=Heil", getätigt von Volkert
Volkmann während des Interviews mit Vertretern der Zeitschrift "Hag&Hexe",
abgedruckt in der Erstausgabe erwähnter Zeitschrift, zu korrigieren, auch
wenn die Aktualität meines Beitrages zu diesem Zeitpunkt schon etwas zu
wünschen übrig lässt.
Volkert Volkmann widerspricht mit seiner Deutung leider jeglicher
sprachwissenschaftlichen Erkenntnis, und dies lexikalisch, methodologisch,
etymologisch und (literatur)historisch.
Yggdrasill wird im allgemeinen übersetzt mit "Roß des Schrecklichen", und
bezieht sich als Kenning (Nordische Form einer poetischen Umschreibung)
damit auf Odins Runenerwerbung.
Man sieht also in dieser Bezeichnung eine Zusammensetzung aus "Yggr" = "der
Schreckliche", ein oft benutzter Beiname Odins, und dem Wort "drasill" =
"Roß", das sich auch im überlieferten Pferdenamen "drosull" (mit Häkchen
unter dem -o-) wiederfindet.
"Ich" hieße an.:"ek", "(ich) trage" hieße "ber", "heil" hieße "heill". Es
gibt das Verb "draga" für "tragen, ziehen" (vgl. engl. "to drag"), das
allerdings nicht in ideellen Zusammenhängen überliefert ist, sondern
ausschließlich in Zusammenhang mit körperlicher Arbeit mit konkreten
Gegenständen (Pflüge z.B.). Dieses Wort trotzdem vorausgesetzt bliebe es
jedoch auch als "drag" stehen, da das Altnordische hier keine Möglichkeit
bietet, ein zur Wurzel gehöriges -g am Ende wegfallen zu lassen - im
Gegenteil, es kann im Präteritum sogar noch weiter zu -kk verstärkt werden.
Es ist in keiner germanischen Sprache geschehen, daß sich ein -i- zu einem
-a- wandelte, und auch Ablautung findet nicht zwischen diesen beiden
Vokalen statt, im Gegenteil, sie sind durch Zugehörigkeit zu verschiedenen
Ablautgruppen strikt getrennt. Es gibt daher keine Möglichkeit, die Silbe
"-sill" über einen willkürlichen Vokaltausch mit dem lateinischen (!)
"salus" = "Heil" zu assoziieren. Die altnordische Entsprechung zu diesem
Wort lautet darüber hinaus "saela" und ist auf die Bedeutung "Glück"
beschränkt.
Die mit Überzeugung vorgetragene Übersetzung Volkert Volkmanns lässt sich
also getrost in den Bereich des Küchenlatein (oder besser Küchennordisch?)
verlegen. Ich hoffe, daß der erweckte Eindruck, er beherrsche die
altnordische Sprache, nicht beabsichtigt war, da er nicht zutrifft. Ich
hoffe jedenfalls, daß seine Kompetenzen bezüglich des Kymrischen fundierter
sind als beim Altnordischen.
Methodologisch will ich doch kurz festhalten, daß die Auflösung von Wörtern
in ihre Silben und die Vermutung, jede Silbe sei bedeutungstragend, so
vorgetragen mehr als problematisch ist und durchaus zu Mißverständissen
führen kann, erinnert sie doch an die Wortverstümmelungspraxis eines
Kummer, List und Marby, die sich auch ganz bewußt über sämtliche
sprachwissenschaftliche Praxis hinweggesetzt hat, in dem Glauben, so die
von den Armanen, der kulturstiftenden Herrscherrasse der ariosophischen
Lehre, in die Sprache hineinkodierten "Wahrheiten" erkennen zu können.
Wenn Volkert Volkmann beklagt, daß man ihn in die Nähe menschenverachtender
Ideologien rückt, was ich persönlich nie getan habe und hier auch nicht
beabsichtige, dann rate ich ihm zu etwas mehr Fingerspitzengefühl: Ich sehe
seine Kontakte zum Armanenorden, ich sehe Methodik und Lehre, die der
ariosophischen ähnlich sehen. Das Mißtrauen von Leuten kann ich
nachvollziehen und sollte auch von V.V. nachvollziehbar sein. Hier sind
vertrauensbildende Maßnahmen gefragt, die ich als legitimen Anspruch der
Gesellschaft gegenüber Personen sehe, die sich in dieser präsentieren
wollen (und somit etwas repräsentieren wollen, das über die eigene Person
hinausgeht - hoffe ich doch).
Abschließend noch, da V.V. das Thema (mal wieder) angesprochen hat:
Legitimation sehe ich in Sachkompetenz, die ich zur Verfügung stelle und
Vertrauen, das mir (auch aufgrund meiner Kompetenz, nicht
ausschließlich)entgegengebracht wird. Wenn dies als Antwort nicht genügt,
sehe ich das nicht als mein Problem an - denn über Kompetenz lässt sich
(auf Dauer) nicht streiten. Ich werde mich auch sämtlichen Kommentars
enthalten darüber, ob man wissen sollte, welchen Namen man etwas gibt...
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